Warum Antifa notwendig ist und bleibt

Über die Notwendigkeit antifaschistischer Organisierung, die Grenzen staatlicher Institutionen und den gefährlichen Rechtsruck in Deutschland

„Antifa“ ist kein Schimpfwort und kein Verbrechen, sondern eine Haltung. Während rechte Kräfte versuchen, den Begriff zu diffamieren und konservative Parteien sich zunehmend davon distanzieren, steht Antifaschismus für den aktiven Widerstand gegen rechte Ideologien, Rassismus, Antisemitismus und faschistische Gewalt gegen marginalisierte Menschengruppen. Doch warum ist antifaschistische Organisierung heute so wichtig? Warum kann man sich im Kampf gegen Rechts nicht auf den Staat verlassen? Und warum ist der viel beschworene „Linksruck“ eine Illusion, während ein realer Rechtsruck gefährlich an Fahrt aufnimmt?


1. Faschismus wurde nicht besiegt – nur verschoben

Auch wenn das NS-Regime militärisch besiegt wurde, lebt faschistisches Denken in gesellschaftlichen Strukturen, Institutionen und Köpfen weiter. Rassismus, Antisemitismus, völkisches Denken und autoritäre Gewaltfantasien sind keine Randerscheinung, sondern tief verankert – in Polizei, Justiz, Medien, Politik und schließlich in den Köpfen von einigen Bürger:innen der sogenannten „Bürgerlichen Mitte“.

Die lange Geschichte rechter Gewalt seit 1945 (z. B. die Morde der Wehrsportgruppe Hoffmann in den 1980ern, Brandanschläge in Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Solingen in den 1990ern, die NSU-Mordserie 2000–2007, Halle, Hanau, Idar-Oberstein u. v. m.) zeigt, dass rechter Terror immer wieder aufflammt – und oft systematisch verharmlost wird.


2. Warum man sich im Kampf gegen Rechts nicht auf den Staat verlassen kann

Antifaschist:innen wissen: Der Staat handelt zu spät, zu zaghaft oder gar nicht. Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass rechte Gewalt nicht nur nicht verhindert, sondern teilweise durch staatliche Strukturen begünstigt wurde.

Beispiel 1: Die NSU-Morde (2000–2007)

Die rechtsterroristische Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ermordete über Jahre hinweg neun Migranten und eine Polizistin. Polizei und Verfassungsschutz versagten auf ganzer Linie. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf die Opfer („Döner-Morde“), nicht auf das rechte Milieu. Verfassungsschutzämter arbeiteten mit V-Leuten, die tief im Neonazi-Netzwerk verwurzelt waren. Akten wurden vernichtet, Verantwortung abgeschoben.

Quelle: NSU-Watch: Das staatliche Versagen

Beispiel 2: Der Anschlag von Halle (2019)

Ein schwer bewaffneter Rechtsterrorist versuchte am höchsten jüdischen Feiertag (Jom Kippur), in die Synagoge von Halle einzudringen, um ein Massaker zu verüben. Nur die massive Holztür verhinderte Schlimmeres. Zwei Menschen wurden dennoch getötet. Trotz Warnungen jüdischer Gemeinden gab es keinerlei Polizeischutz. Bis heute fühlen sich jüdische Gemeinden in Deutschland nicht sicher.

Quelle: Tagesschau-Bericht zu Halle

Beispiel 3: Der NSU 2.0, Drohbriefe & rechte Netzwerke in der Polizei

Seit 2018 erhielten linke Politiker:innen, Journalist:innen und Aktivist:innen (u. a. Seda Başay-Yıldız, Janine Wissler) Morddrohungen mit dem Absender „NSU 2.0“. Die Drohbriefe enthielten sensible Daten, die offenbar aus Polizeicomputern stammten. Die Aufarbeitung blieb schleppend, eine systematische Aufklärung über rechte Netzwerke in der Polizei blieb aus.

Quelle: HR-Reportage zu NSU 2.0

Beispiel 4: Der Verfassungsschutz als Teil des Problems

Anstatt rechte Strukturen zu zerschlagen, haben sich viele Verfassungsschutzbehörden auf die Überwachung linker und antifaschistischer Gruppen konzentriert. Die AfD wurde in vielen Bundesländern nur zögerlich als Verdachtsfall eingestuft – trotz dokumentierter Kontakte zu Rechtsextremen, rassistischer Hetze und Verfassungsfeindlichkeit.

Quelle: Correctiv-Recherche zur AfD und rechtem Terror


3. Warum „Die Antifa“ oft kriminalisiert wird – und von wem

Statt sich klar antifaschistisch zu positionieren, setzen CDU, FDP und AfD oft auf Gleichsetzung von „Rechts“ und „Links“. Damit relativieren sie rechten Terror und kriminalisieren antifaschistisches Engagement.

AfD

Die AfD stellt Antifa systematisch als „linksextremistisch“, „terroristisch“ oder „verfassungsfeindlich“ dar. Dabei sind es häufig Antifa-Gruppen, die rechte Netzwerke aufdecken und Proteste gegen Neonazi-Aufmärsche organisieren.

Beispiel: AfD-Bundestagsanträge zur Einstufung der Antifa als „terroristische Organisation“.

CDU

Teile der Union – besonders unter Innenministern – setzen auf das Feindbild „Linksextremismus“, um konservative Ordnungspolitik zu legitimieren. Dabei wird häufig ignoriert, dass es in Deutschland keinen einzigen linken Terroranschlag mit Todesfolge seit Jahrzehnten gibt – im Gegensatz zu rechter Gewalt.

Beispiel: Friedrich Merz bezeichnete 2020 die Antifa als „verfassungsfeindlich“. Gleichzeitig nannte er den Anschlag auf Hanau eine „Tragödie“, nicht ein rassistisches Massaker.

→ Quelle: FAZ – „Merz gegen Antifa – Reaktion auf Black Lives Matter“

FDP

Die FDP schwankt zwischen liberaler Rhetorik und rechtskonservativen Reflexen. In der Praxis lehnt sie antifaschistische Politik oft ab und stellt sie als „Störung von Meinungsfreiheit“ dar, insbesondere wenn es um Proteste gegen rechte Redner geht.

→ Quelle: Bundestagsdebatten zum Thema Linksextremismus


4. Warum es keinen „Linksruck“ gibt – aber einen gefährlichen Rechtsruck

Rechte und konservative Kräfte behaupten oft, es gäbe einen „Linksruck“ – in Medien, Universitäten, oder der Politik. Tatsächlich sind linke Forderungen (Mietendeckel, Umverteilung, Antirassismus) medial zwar sichtbarer, politisch aber kaum durchsetzbar.

Tatsächlich:

  • Die soziale Ungleichheit steigt.
  • Gewerkschaften werden geschwächt.
  • Asyl- und Migrationsrecht werden verschärft.
  • Klimapolitik bleibt hinter Notwendigkeiten zurück.
  • Linke Politik und Aktivismus werden kriminalisiert (z. B. §129 „kriminelle Vereinigung“ gegen Antifa-Strukturen).

→ Ein realer Linksruck wäre: Vermögenssteuer, Antirassismus in Behörden, soziale Absicherung, konsequente Klimapolitik, Entnazifizierung der Polizei. Das Gegenteil ist der Fall.

Rechtsruck:

  • Rechte Narrative („Remigration“, „Meinungsdiktatur“) werden von der Mitte übernommen.
  • Repressive Migrationspolitik (z. B. geplante Abschiebungen nach Afghanistan).
  • AfD bei über 20 % in bundesweiten Umfragen (Stand 2025).
  • Zunehmende Akzeptanz autoritärer, nationalistischer Politik.
  • Unkontrollierter Rechtsruck in sozialen Medien wie TikTok, Jugendliche radikalisieren sich schnell
  • Queere und marginalisierte Menschen, wie z.B. LGBTQIA+, werden als „unnormal“ geframed und als Bedrohung für traditionelle Werte gesehen (Kulturkampf)

Quelle: Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung


5. Antifaschistische Organisierung als Notwendigkeit

Antifa bedeutet:

  • Frühwarnsystem gegen rechte Gefahr
  • Schutz für Betroffene, wenn Polizei versagt
  • Bildung, Aufklärung, Erinnerungskultur
  • Protest gegen rechte Aufmärsche und Hetze
  • Recherchen über faschistische Netzwerke
  • Solidarität statt Vereinzelung

Fazit: Antifa bleibt notwendig

Wer angesichts rechter Gewalt auf „beide Seiten“ zeigt, hat nichts verstanden. Antifaschismus ist keine Ideologie, sondern ein Gebot der Menschlichkeit. Der Staat wird – aus strukturellen, politischen und historischen Gründen – niemals konsequent gegen Faschismus vorgehen.

Deshalb braucht es Antifa:

  • als gemeinsame Stimme der Solidarität
  • als Schutz für Marginalisierte und die Schwächsten
  • als Druck auf Politik und Öffentlichkeit
  • als Widerstand gegen den wachsenden Rechtsruck & Faschismus

Antifaschistisch sein heißt: sich nicht verlassen auf Institutionen, die zu oft versagen – sondern selbst handeln. Jetzt. Bildet Banden!


Weiterführende Quellen: